Die Falle der Persönlichkeitsentwicklung und Empowermenttrainings

In einer Welt, die vom ständigen Streben nach Selbstoptimierung durchdrungen ist, gilt Persönlichkeitsentwicklung als eines der höchsten Güter. Es wird uns als Schlüssel zu einem erfüllten, erfolgreichen, ja sogar glücklichen Leben verkauft. Du musst nur hart an dir arbeiten, deine Ziele klar definieren, finanzielle Freiheit anstreben, deine Schwächen in Stärken verwandeln – dann wirst du ankommen. Dann wirst du endlich „du selbst“ sein. Dann bist du glücklich.

Aber was, wenn genau dieses Streben die Falle ist?

Der endlose Selbstoptimierungstrip

Persönlichkeitsentwicklung suggeriert, dass du noch nicht genug bist – noch nicht vollständig, noch nicht ganz. Du musst etwas erreichen, dich verbessern, deine Schattenseiten aufarbeiten, deine Blockaden lösen. Es ist ein nie endender Prozess. Denn: Wenn du erst einmal X erreicht hast, wird Y auftauchen. Und danach wartet schon Z. Jeder erreichte Meilenstein wird zur neuen Ausgangsbasis für noch mehr Streben, mehr Leistung, mehr „Ich“.

Was hier wächst, ist in Wirklichkeit nicht dein wahres Selbst – sondern dein Ego. Das „Ich“, das besser, reicher, bewusster, stärker sein will. Es kleidet sich spirituell, nennt sich „Empowerment“, „Mindset“, „Purpose“, aber es bleibt das alte Muster: Ich will mehr sein als das, was ich bin.

Was, wenn es nichts zu erreichen gibt?

Viele spirituelle Traditionen – ob Non-Dualität, Buddhismus, Advaita oder christliche Mystik – deuten in eine völlig andere Richtung. Sie zeigen auf das, was jenseits des Ego liegt. Jenseits von Erfolg, Ziel oder persönlicher Verbesserung.

„You are always, already free.“ – Papaji

Diese Worte sind eine radikale Einladung. Sie stellen das gesamte System der Persönlichkeitsentwicklung infrage. Denn was, wenn du bereits jetzt vollständig bist? Was, wenn du nichts brauchst, um anzukommen? Was, wenn der Suchende selbst das Hindernis ist?

Der spirituelle Weg als subtile Fortsetzung des Ego-Spiels

Selbst der spirituelle Weg kann zur Falle werden. Wer „Erleuchtung“ anstrebt, verfolgt oft ein neues Ziel mit den gleichen alten Mechanismen: Suche, Verbesserung, Vermeidung des Jetzt. Das Paradoxe dabei ist: Erleuchtung ist kein Zustand, der erreicht werden kann. Es ist kein Ziel. Es ist das, was jetzt bereits da ist – nur verschleiert vom ständigen Suchen.

Es gibt nichts zu erreichen. Kein Ziel. Kein Endpunkt. Keine bessere Version deiner selbst. Wenn du innehältst, wenn du nicht suchst, kann plötzlich etwas anderes auftauchen: Gegenwärtigkeit. Stille. Wahrheit.

Ego als Werkzeug – nicht als Identität

Und doch: Auf der Grundlage dieser Erkenntnis – dass du nicht nur das Ego bist – kann es durchaus sinnvoll sein, das Ego zu „veredeln“. Denn im Alltag, in Beziehungen, im Beruf, im Umgang mit dir selbst, kann ein klarer, ruhiger Verstand und ein stabiles, positives Ego ein wertvolles Werkzeug sein.

Wenn du dein Ego verstehst, anstatt dich damit zu identifizieren, kannst du es nutzen, anstatt von ihm benutzt zu werden. Negative Gedanken, destruktive Emotionen, Selbstsabotage – all das lässt sich erkennen, reflektieren und im besten Fall transformieren. Nicht, um „besser“ zu werden im Sinne des alten Musters, sondern um das Werkzeug, das du nun einmal hast, sauberer, feiner, präziser einzusetzen.

Ein gutes Werkzeug macht das Leben leichter. Es hilft dir, den Alltag zu meistern, mit Herausforderungen umzugehen und in der Welt präsent zu sein. Doch: Verwechsele niemals das Werkzeug mit dem, der es nutzt. Du bist nicht dein Ego. Du bist auch nicht dein Verstand. Sie sind nützlich – nicht mehr, nicht weniger.

Fazit: Wach auf aus dem Entwicklungswahn

Der Wunsch, sich zu entwickeln, ist verständlich – aber er entspringt oft einer tiefen Ablehnung des Hier und Jetzt. Die wahre Freiheit liegt nicht darin, mehr zu werden, sondern alles loszulassen, was du glaubst sein zu müssen.

Du bist nicht nur diese Person. Du bist auch nicht deine Ziele, deine Geschichte oder deine Gedanken. Und in diesem Moment – genau jetzt – gibt es nichts zu tun. Nichts zu verbessern.

Du bist schon da.

Mehr dazu im Blogbeitrag: No Point of View

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